Kleinigkeiten
Erzählungen
Franz Stelzhamer
ISBN: 978-3-85252-015-5
21 x 15 cm, 36 S.
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Kurzbeschreibung
Eine Mondscheingeschichte
Es kann ja nicht immer so bleiben
Hier unter dem wechselnden Mond!
Alt. Lied
Wir trafen uns zu Wien auf dem »Stock im Eisen-Platze« – mein schwärmerischer Freund, Cölestin und ich. Freund Cölestin, dem sich verrätherischer Weise seit kurzem unter den Schläfen, wo sich der etwas vermodernde Lockenschnörkel mit dem ebenfalls veralteten sturmband-ähnlichen Barte zusammenschließt, Etwas Grauliches ereignet, ist trotz diesem Grauen eine von jenen heitern semperfloreszenten Naturen, jene allmorgentlich, beim Aufgang der neuen – oder alten, wie man will – Morgensonne hell erklingenden Memnonssäule, wie man sie in der ausgebreiteten Garconschaft jeder Hauptstadt häufig zu finden pflegt; – wir standen also, er und ich, wie schon gesagt zu Wien »am Stock im Eisen« und begannen eben das bedeutende Zweigespräch:
Er: Wie gehts? Ich: Gut. Und dir? Er: Auch gut.
Beide: Schön! – Und würden vielleicht noch Wichtigeres zweigesprochen haben; da fuhr über die Ecke hart an uns vorüber eine schöne Equipage mit einer noch schöneren Dame darin, und einem allerliebsten, engelholden Knäblein an ihrer Seite – Cölestin bekam einen jähen Ruck, als hätte ihn einer jener privilegierten Grobheitsausüber von Sesselträger oder Karrenschieber härtestens touchiert und inkommodiert, aber – Ehre, dem Ehre gebührt! – es war nicht so. Sie hatten ihm nichts gethan weder die Schieber noch die Träger; denn es war eben Keiner an uns vorübergegangen. Es klärte sich auch das Bewandtnis gleich auf mit Cölestins aus Mund und Augen zugleich hervorbrechender Frage:
Hast du sie gesehen?
Eine schöne Mutter in schöner Equipage? ja! Ah, pah Mutter – ein Mädchen ist sie, ein völliges Kind! Verzeihe, das Kind, glaub ich, war ein Knabe.
Ah, was Kind, was Knabe – die Mutter ist ein Kind, ein kleines kindliches Mädchen ist diese Mutter, glaub es mir! Cölestin, du faselst, oder –
Lautere Wahrheit, Freund, schmerzhaft süße Wahrheit! Da blicke her, oder gleichviel – hieher! unterbrach er mich, seine Hand jongleurhaft schnell gegen Stirne und Herz werfend.
Ach ja, ich verstehe, rief ich, Du trägst eine Erinnerung, ein holdes Gedächtnis schöner Vergangenheit, wo diese Dame –
Nur der »Stock im Eisen« d.h. die Öffentlichkeit jenes Platzes rettete mich vor einer jähen Umarmung meines über meine Findigkeit hochentzückten Freundes; dafür mußte ich mich, weil er nun einmal sein volles Herz ausschütten mußte, in das nächstbeste Caffeehaus ziehen lassen, wohin ich den Leser – warum hat er uns so emsig belauscht und behorcht! – mitziehe, um ihn zum unmittelbaren Theilnehmer an Cölestins Eröffnung zu machen, und mich der verhaßten, abgeblaßten Wiedererzählung zu entschlagen.
Was ist dir gefällig, Freund? Caffee, weiß oder schwarz, Punsch, Limonade, Liqueur, Maraskino, Cirasso, Vanille? Sprich, was? – Marqueur, der Herr wünscht – mir bring ein Glas Wasser, zwei, drei Gläser bring – ich habe den Vesuv im Leibe!
So hastete Cölestin.
Dagegen einzuwenden war nichts, so wenig, als gegen das Traktement eines schlechten Schauspieldichters, während welchem er einen Kreis unglückseliger Freunde mit der Vorlesung seiner neuesten Misere nothzüchtigt.
Cölestin – nachdem er zwei Gläser Wasser, schnell, fast schauerlich gäh hinuntergestürzt hatte, begann: Es sind nunmehr – aber Freund, ich bitte dich, sieh mich an, bin ich denn wirklich so alt, so abscheulich alt und überlebt!? es sind – denke dir und erbebe mit mir im tiefsten Innersten deines Herzens! – es sind volle zwanzig Jahre, ich war ein jugendliches Studentlein, trug über dem hellblonden Haar ein hochrothes lärmöses Käppchen, keck schiefgedrückt, und in der Hand meine einzige Lebensbürde, den schweren Ziegenhainer; mein einziges Studium – denn es war Ferialzeit – war die Erlernung des edlen Tabackrauchens …