
Liebende im Mostviertel
Die gefundene Geschichte
Toni Distelberger
ISBN: 978-3-99028-952-5
19×11,5 cm, 400 Seiten, Klappenbroschur
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Kurzbeschreibung
In dieser Familiensaga aus dem Mostviertel entwickelt sich aus verzwickten Beziehungsgeschichten ein Labyrinth an Verzweigungen und Irrwegen, in dem sich manische Selbstdarsteller ebenso tummeln wie introvertierte Träumer und Grüübler; exaltierte Phantasten treten neben pragmatischen Lebenskünstlern auf. Einem Jungen, der zunächst nur die kleine und enge Welt seines Dorfes kennt, erschließen sich die größeren Zusammenhänge und er begegnet Originalen und Käuzen, erfolgreichen Charismatikern und tragisch Gescheiterten.
Rezensionen
Michaela Aichinger: Spannende Familiensaga aus dem MostviertelToni Distelberger ist Autor mit Mostviertler Wurzeln. Auf die Leser seines jüngsten Buches „Liebende im Mostviertel“ warten Einblicke in eine bewegte Lebensgeschichte.
„Die Titelgeschichte handelt von den Personen, die auch auf dem Titelbild meines Buches zu sehen sind. Mein Onkel Adi Distelberger war als Pfarrer von Dürnstein und Kolpingpräses in St. Pölten eine prominente Persönlichkeit. An seiner Seite ist auf dem Titelbild die Lebensgefährtin seines letzten Lebensjahrzehntes zu sehen. Für ihn als Priester war die langjährige Beziehung zu dieser Frau nicht unkompliziert“, erklärt Distelberger. Sein Onkel sei als umgänglicher und beliebter Priester bekannt gewesen „wie ein bunter Hund“, so der Autor: Am liebsten habe er sich unter Menschen aufgehalten, mit ihnen getrunken und gelacht. „Legendär ist die Verfolgungsjagd, welche er spätabends einer Gendarmeriestreife lieferte, die ihn in Krems kontrollieren wollte. Er fuhr der Polizei mit seinem Merceds mit dem Kennzeichen P-PPPP 1 davon – das stand für Priester-Promille-Professor-Präses. Erst am Bahnhof St. Pölten konnte er gestellt werden, wo man ihm den Führerschein abnahm, den er alsbald wiederhatte“, so Distelberger. Doch damit seien noch lange nicht die „Geschichten und G´schichtln“ erschöpft, die man sich über diese schillernde Figur bis heute an den Wirtshaustischen im Mostviertel erzähle.
„An erzählten Lebensgeschichten fasziniert mich deren subjektiver Zugang zur Geschichte. Menschen erzählen grundsätzlich immer und überall. Doch manche unter ihnen sehen ihre persönliche Geschichte als so wichtig an, dass sie diese für die Nachwelt dokumentiert wissen wollen. Sie haben spannende und aufregende Dinge erlebt, von denen sie nicht wollen, dass diese Abenteuer in Vergessenheit geraten. Sie erzählen von den Höhen und Tiefen des Lebens, von Niederlagen und Siegen, von schönen und traurigen Erlebnissen. Darin finde ich mich wieder“, beschreibt Distelberger seine Vorliebe für dieses Genre.
(Michaela Aichinger, Rezension in den TIPS-Ausgaben Amstetten und Ybbstal Kalenderwoche 47/2020, S. 14 [?])
Karin Katona: „Ich liebe Geschichten“
Der Autor Anton Distelberger stellt seine neuen Erzählungen vor: Eine handelt von seinem Onkel, dem „Priester Promille Präses“.
NÖN: Der Titel Ihres Buches lautet „Liebende im Mostviertel“. Wer waren diese Liebenden?
Anton Distelberger: Die Titelgeschichte handelt von den Personen, die auch auf dem Titelbild zu sehen sind: Mein Onkel Adi Distelberger, Pfarrer von Dürnstein und Kolpingpräses von St. Pölten. An seiner Seite die Gefährtin seines letzten Lebensjahrzehnts.
Ein Priester und die Beziehung zu einer Frau?
Distelberger: Für ihn war die langjährige Beziehung zu dieser Frau auch nicht ganz unkompliziert. Und für sie war es schwer, nicht offiziell die Frau an seiner Seite sein zu können. Mein Onkel war kein einfacher Mensch. Aber sie ist bis zum Schluss bei ihm geblieben und er ist in ihren Armen gestorben.
Warum war Ihr Onkel so eine prominente Persönlichkeit?
Distelberger: Er war als umgänglicher und beliebter Priester bekannt wie ein bunter Hund. Am liebsten hielt er sich unter den Menschen auf. Er war sehr charismatisch, konnte die Leute ansprechen. Er verkündete das Evangelium als Frohbotschaft. Ich würde ihn als einen sozial kompatiblen Alkoholiker bezeichnen. Aber gerade das machte ihn so beliebt.
Darum haben Sie eine Geschichte über ihn geschrieben?
Distelberger: Zu der Geschichte kam es, als wir nach seinem Tod seine Wohnung ausgeräumt haben. Jeder sollte sich etwas mitnehmen. Ich habe ein Foto gefunden, wo ich selbst als kleiner Bub mit ihm drauf war. Da habe ich beschlossen, dass ich diese Geschichte erzählen muss. Damals war gerade meine Tochter geboren worden und ich wollte die Geschichte auch für meine Kinder festhalten.
Hat Ihre Tochter das Buch schon gelesen?
Distelberger: Sie ist jetzt 16. Sie hat es sich gleich geschnappt und ganz vertieft gelesen. Dann hat sie gesagt, es sei spannend und lustig. Für mich als Vater ein Kompliment.
Handeln auch die anderen Geschichten im neuen Buch von Ihrer Familie?
Distelberger: Es sind alles erzählte Lebensgeschichten. Und bei der Recherche stößt man immer wieder auf Dinge, die kaum noch jemand weiß, und kommt dadurch wieder auf andere Personen.
Sie haben schon mehrere Bücher geschrieben – sind das auch Geschichten aus dem wahren Leben?
Distelberger: In meinen drei Büchern „Von der Liebe erzählen“, „Großvaters Geschichten – ein Leben im Mostviertel“ und „Das Mädchen im Badeanzug“ habe ich mich mit erzählten Lebensgeschichten beschäftigt.
Fiktion interessiert Sie also nicht?
Distelberger: Mich faszinieren Menschen und ihr subjektiver Zugang zur Geschichte.
Werden Sie irgendwann Ihr eigene Biografie schreiben?
Distelberger: Die habe ich indirekt in diesem Buch erzählt. Wenn man die Geschichten liest, zieht sich meine eigene Lebensgeschichte wie ein roter Faden hindurch. Es fängt an mit mir als kleinem Buben, der im Wald und im Dorf unterwegs ist, mit einer Freiheit, die Kinder heute nicht mehr haben.
Zurück zum Buch: Geht es in den Geschichten nur um die Liebe?
Distelberger: Es geht nicht in erster Linie um die Liebe, sondern um Beziehungen aller Art, zum Beispiel auch zwischen Kindern und Eltern. Aber auch alle anderen wichtigen Beziehungen im Laufe eines Lebens.
Und zum Schluss noch eine Anekdote über Ihren Onkel?
Distelberger: Die bekannteste Anekdote ist wohl die über die Verfolgungsjagd, die er sich mitten in der Nacht mit der Polizei lieferte, die ihn in Krems kontrollieren wollte. Er fuhr der Streife mit seinem Mercedes mit dem Kennzeichen P-PPPP (für Priester Promille Professor Präses) davon und konnte erst am Bahnhof St. Pölten gestellt werden, wo man ihm den Führerschein abnahm. Nicht zum einzigen Mal übrigens.
(Karin Katona im Gespräch mit Anton Distelberger, erschienen in der NÖN Ausgabe Erlauftal, online verfügbar seit 21. November 2020)
https://www.noen.at/erlauftal/neues-buch-anton-distelberger-ich-liebe-geschichten-wieselburg-land-bucherscheinung-anton-distelberger-print-233857375
Hans Boeger: [Rezension]
Toni Distelberger, im Erlauftal aufgewachsen, lebt seit vielen Jahren in Perchtoldsdorf. In seinem aktuellen Buch – „Liebende im Mostviertel – die gefundene Geschichte“ – rankt sich alles um eine Familiensaga aus dem Mostviertel, in der sich manische Selbstdarsteller ebenso tummeln wie introvertierte Träumer und Grübler. Einem Jungen, der zunächst nur die enge Welt seines Dorfes kennt, erschließen sich die größeren Zusammenhänge und er begegnet Originalen und Käuzen, erfolgreichen Charismatikern und tragisch Gescheiterten.
Die Titelgeschichte handelt von den Personen, die auch auf dem Titelbild zu sehen sind: „Mein Onkel Adi Distelberger war als Pfarrer von Dürnstein und Kolpingpräses in St. Pölten eine prominente Persönlichkeit“, erklärt Toni Distelberger. An seiner Seite die Lebensgefährtin seines letzten Lebensjahrzehnts. „Mein Onkel war als umgänglicher und beliebter Priester bekannt wie ein bunter Hund. Am liebsten hielt er sich unter Menschen auf, trank mit ihnen und lachte mit ihnen.“
Legendär sei die Verfolgungsjagd gewesen, welche er sich spätabends mit einer Gendarmeriestreife lieferte, die ihn in Krems kontrollieren wollte. Er fuhr mit seinem Mercedes mit dem Kennzeichen „P-PPP 1“ davon (das stand für Priester-Promille-Professor-Präses) und konnte erst am Bahnhof St. Pölten gestellt werden, wo man ihm den Führerschein abnahm, den er alsbald wieder hatte.
Doch damit sind noch lange nicht die Geschichten erschöpft, die man sich über diese schillernde Figur bis heute an den Wirtshaustischen im Mostviertel erzählt.
(Hans Boeger, Rezension in der NÖN Ausgabe Mödling, online verfügbar seit 24. November 2020)
https://www.noen.at/moedling/buchtipp-liebende-im-mostviertel-die-gefundene-geschichte-perchtoldsdorf-autor-toni-distelberger-buchtipp-print-233859417
Franz Aschauer: Adi Distelberger: Lebemann, Liebhaber, Priester
Adi Distelberger war Präses und schillernde Persönlichkeit. Sein Neffe widmete dem wohl beliebtesten Pfarrer, den Dürnstein je hatte, ein Buchkapitel.
P-PPPP-1: Mit diesem Auto-Kennzeichen, das ihm Freunde geschenkt hatten, soll Adi Distelberger zeitweise unterwegs gewesen sein. Wofür die vier P standen? Für Priester, Professor, Präses und Promille, so die Überlieferung.
Der Polizei sprang die einfache Buchstabenkombination immer wieder ins Auge. Distelberger verlor mehrmals wegen Trunkenheit am Steuer den Führerschein.
Bürgernah: Beliebtheitswerte waren enorm
Der Geistliche im PS-starken Mercedes war gefürchtet bei der Gendarmerie. Beinahe Kultstatus hat eine Verfolgungsjagd im Dezember 1990, bei der Distelberger der Exekutive in Krems um die Ohren fuhr und erst am Bahnhof in St. Pölten gestoppt werden konnte. Einen Alkotest verweigerte er.
Diese und noch viel mehr Geschichten erzählt sein Neffe Toni Distelberger aus Perchtoldsdorf im Buch „Liebende im Mostviertel“. Auf der Titelseite: ein Foto von seinem Onkel Adi auf der Fähre der Familie Thiery aus Dürnstein, wo Distelberger von 1982 bis 1988 Pfarrer war. Bei ihm: seine langjährige Lebensgefährtin aus Baden.
Adi Distelberger ist seit mittlerweile 17 Jahren tot. Als Präses der Kolpingfamilie in St. Pölten und Initiator für die Errichtung zweier Wohnheime mit insgesamt 600 Betten machte sich der 1930 im Mostviertel geborene Geistliche früh einen Namen.
Er galt als großer Förderer der Jugend und begnadeter Prediger. So in Erinnerung hat ihn auch Johann Schmidl, der langjährige Bürgermeister von Dürnstein, der den Präses Distelberger in seiner Zeit in der HTL St. Pölten, wo er 1968 maturierte, kennenlernte.
Distelberger habe stets viel in Bewegung gebracht, auch in Dürnstein: „Bei der Stiftsrenovierung hat er in seiner jovialen Art große Unterstützung geliefert. Er hatte sehr gute Kontakte zur Politik“, erzählt Schmidl.
Distelbergers Beliebtheitswerte in der Wachau waren wegen seiner Bürgernähe enorm. „Es gab keinen Heurigen, wo man ihn nicht getroffen hat“, erinnert sich Schmidl zurück. Ihn als alkoholkrank zu bezeichnen, wie es Toni Distelberger in seinem Buch tut, würde er nicht. „Aber vielleicht sieht man das in der Wachau auch anders. Es möge sich jeder selbst bei der Nase nehmen.“
Stadtpfarrer Franz Richter erinnert sich
Etwas später als Schmidl hat Franz Richter Adi Distelberger kennengelernt. Der Kremser Stadtpfarrer traf 1976 ebenfalls als Schüler erstmals auf den Kolpingpräses. „Ich war im Stiftsgymnasium in Melk und habe eine Nachprüfung in Mathematik gehabt. Damals gab es im Kolpinghaus in St. Pölten Nachhilfekurse. Begonnen hat alles mit einer Ansprache von Adi Distelberger. Sein Schmäh hat mir imponiert.“
Richter traf erst 2001, als Pfarrer von Weißenkirchen, wieder auf Distelberger, der sich auch nach seiner Zeit in Dürnstein gerne in der Wachau aufhielt. Damals schon elf Jahre an seiner Seite: eine Frau. „Ich hatte den Eindruck, dass sie sich unheimlich gern mögen“, erzählt Richter. Ob es eine Liebesbeziehung gewesen sei, könne er aber nicht sagen.
Dass es definitiv das war, sagt Distelbergers langjährige Begleiterin, die heute 83 Jahre alt ist. Kennengelernt habe sie ihn im Schlosshotel Dürnstein. „Ich hatte damals einen Freund und war schon einmal geschieden. Ich fragte ihn, ob er uns verheiraten würde. Daraufhin hat er gesagt: ‚Jetzt tanzen wir einmal‘“.
Es dauerte nicht lange, und der bisherige Freund war Geschichte. Distelberger verbrachte glückliche Jahre mit seiner Partnerin und reiste mit ihr viel. Selbst bei einem Frühstück in Venedig mit Papst Johannes Paul II. sei sie dabei gewesen.
Versteckt hat Distelberger seine Freundin nie. Die Badenerin hat sich an der Seite eines Priesters, der eigentlich zölibatär leben sollte, nicht unwohl gefühlt. „Ich bin mir nicht besonders vorgekommen.“ Bis 2003, als Distelberger von Krankheit schwer gezeichnet starb, war sie an seiner Seite. Die Erinnerung an den Lebemann, den sie Freund nannte, strahlt im Licht der Vergangenheit hell.
(Franz Aschauer, Rezension in der NÖN Ausgabe Krems, online verfügbar seit 25. November 2020)
https://www.noen.at/krems/duernsteiner-im-portraet-adi-distelberger-lebemann-liebhaber-priester-duernstein-bucherscheinung-literatur-toni-distelberger-print-234897745
Sonja Raab: [Rezension]
Dieses Buch liest man nicht einfach. Würde man es nur lesen, würde man den Zauber, der darin verborgen liegt, nicht entdecken. Man muss die Bilder im Kopf gar nicht erst entstehen lassen, sie entspinnen sich von selbst mit der Geschichte. Man riecht den Regen, man spürt die Hitze, man sieht die Protagonisten und man hört die Sprache des Autors, der wohl die Kraft seiner Ahnen im Herzen trägt und mit einer Wortgewalt daher kommt, die berührt und fasziniert zugleich. Gäbe es das Buch als Film, würde ich mir schon mal Karten bestellen fürs Kino. Kindheitserinnerungen, gespickt mit Mundartbegriffen, die aus längst vergangenen Zeiten zu kommen scheinen. Lustige und traurige Erlebnisse, nach jeder Szene fragt man sich, ob ein Mensch alleine wirklich so viel erlebt haben kann oder tatsächlich alles, was erlebt wurde, in diesem Buch verpackt ist. Reichhaltig und vielschichtig, Mostviertel intensiv.
(Sonja Raab, Rezension für das momag [Mostviertel-Magazin], #389: März 2021, S. 43)
https://www.momag.at/epaper/momag389/42/
Kati Pregartner: Flaschenpost an die Zukunft
Der Archäologe Toni Distelberger erforscht und publiziert Lebensgeschichten der vergangenen Jahrzehnte.
„Mit der Geburt meiner Kinder hatte ich plötzlich das Bedürfnis, die ganzen Geschichten aus meiner Familie aufzuschreiben“, erinnert sich der Autor mit Mostviertler Wurzeln. „Das ist wie eine Flaschenpost an die Zukunft: man schickt etwas los und weiß nicht, wann es wieder aufgemacht wird.“
Opas Memoiren
Seine eigene Kindheit verbrachte Distelberger im Erlauftal, wo ihm vor etwa fünfzehn Jahren eine unscheinbare Mappe mit eingeklebten Fotos in die Hände fiel. Darin entdeckte er den persönlichen Lebensrückblick, den sein hochbetagter Großvater in den 1970ern zu Papier gebracht hatte. Diesen Fund betrachtet Distelberger als Schlüssel zu seiner literarischen Tätigkeit: „Beim Lesen hab´ ich gemerkt, was da steht, ist alles relevant für mich, weil es mit meinem eigenen Leben zu tun hat.“
Mostviertler Familiensaga
Distelberger, von Beruf Bibliothekar an der Universität Wien, lebt mittlerweile in Perchtoldsdorf. Seine weitläufige Mostviertler Verwandtschaft dient aber weiterhin als hauptsächliche Informationsquelle für seine Bücher. Die verbotene Liebesgeschichte seines trinkfreudigen und volksnahen Onkels Adi, der um 1960 Kaplan in Amstetten, dann Präses der St. Pöltner Kolpingheime und schließlich weithin bekannter Pfarrer von Dürnstein war, lieferte die Titelgeschichte von Distelbergers neuestem Werk „Liebende im Mostviertel“ (2020). „Das Buch, in dem sich manische Selbstdarsteller ebenso tummeln wie introvertierte Grübler und pragmatische Lebenskünstler, erzählt von meinen Verwandten und meinem Aufwachsen im Mostviertel und endet mit der Beschreibung des Todes meiner Frau vor vier Jahren durch eine Gehirnblutung während eines Skiurlaubes mit unseren Kindern.“
Damit es nicht verloren geht
Neben zwei Lyrikbänden im Haiku-Versmaß hat Toni Distelberger drei weitere biografische Bücher herausgegeben: In seiner ersten Veröffentlichung (2011) berichten sechs Frauen, welche Erfahrungen sie zwischen 1930 und 1950 mit Liebe, Partnerschaft und Ehe gemacht haben. 2013 publizierte er die erwähnten Memoiren seines Großvaters und 2015 erschien „Das Mädchen im Badeanzug“. Darin liefern die kurrentschriftlichen Tagebuchaufzeichnungen seines Großonkels, damaliger Generalvikar der Diözese St Pölten, Einblicke in die letzten Kriegstage. Ergänzt wird dieses lebensgeschichtliche Zeitdokument aus dem Jahr 1945 durch die Erfahrungsberichte von zwei jugendlichen Wehrmachtsoldaten aus dem Most- bzw. Waldviertel, die sich nach Kriegsende auf eigene Faust in die Heimat durchschlagen mussten. Aktuell arbeitet Distelberger am Nachlass des niederösterreichischen Heimatforschers Josef Höbarth.
(Kati Pregartner, Rezension in den Bezirksblättern Niederösterreich Ausgabe Amstetten/Ybbstal vom 3. März 2021, S. 38 f.)
https://www.meinbezirk.at/amstetten/c-leute/toni-distelberger-erzaehlt-mostviertler-lebensgeschichten_a4491812
Alfred Friedl: [Rezension]
Nach zwei Haiku-Bänden ist es neben Großvaters Geschichten: ein Leben im Mostviertel (2013) und Das Mädchen im Badeanzug: Lebensgeschichten aus dem Frühjahr 1945 (2015) die dritte erzählte Lebensgeschichte, die Toni veröffentlicht. Er war entsetzt, als ich ihm erzählte, dass ich mit der Lektüre seines Buches auf der letzten Seite begonnen habe, doch begleitet mich der 10.1.2017 bis heute und hat mein Vorgehen nichts von der Spannung genommen, die in diesem Buch steckt. Auch habe ich es nicht wie seine siebzehnjährige Tochter Paula in drei Stunden in einem Zug durchgelesen, sondern abschnittsweise, um den ihm innewohnenden Zauber spüren und seine Tiefe ausloten zu können. Den Schlüssel zum Verständnis seiner Mostviertler, genauer gesagt: Erlauftaler Familiengeschichte liegt in diesen beiden Sätzen: „Als Liebesgeschichte gilt mir – entgegen der einseitig erotischen Auffassung von der Liebe – jede Erzählung von Taten der Liebe und der liebevollen Begegnung zwischen Menschen, die der Liebe bedürfen. Wunderbar sind für mich die Beschreibungen des Zusammenlebens dieser unterschiedlichen Menschen, die behutsam aufeinander eingehen.“ (279) Wobei diese Behutsamkeit sehr weit verstanden werden muss, da das bäuerliche Milieu gnadenlos direkt und scheinbar unbarmherzig sein kann.
Schonungslos offen sind auch manche Passagen, über die man nicht so einfach hinweglesen kann und die zum Nachdenken über die Rätsel der Vergangenheit (Erstes Buch) und die Rätsel der Zukunft (Zweites Buch) zwingen. Und ja: naturgemäß kommen auch Elemente von Sex & Crime vor, werden Tabubrüche und Normverstöße erzählt, etwa der Mordversuch einer seiner Tanten, der von seinem Vater begangene Diebstahl eines Dokuments oder das gegen weltliche und kirchliche Gesetze verstoßende Lotterleben seines Onkels, der als Pfarrer sehr geschätzt wird. Die Lebendigkeit der Schilderungen lässt einem unmittelbar teilhaben an den nächtlichen Radtouren durch unheimliche Wälder oder an den Fahrten zu den archäologischen Ausgrabungen, während derer der Grabungsleiter das Auto lenkt und in einer kleinformatigen Tageszeitung blättert. Nachdrücklich in Erinnerung bleiben die etymologischen Erklärungen der manchmal recht deftigen Mundartausdrücke, die Beschreibungen seiner Naturverbundenheit und der berührende Briefwechsel mit seiner Frau Gerda. Aus den Erzählungen „Ich surfe nicht“ und „Die Gefahren der Feldforschung“ wird deutlich, dass Leben und Arbeit in der UB Wien nicht ungefährlich sein können. Manche Abschnitte leitet ein Zitat aus einem Buch ein, das Toni geprägt hat, oder eine Notiz; am häufigsten habe ich zum Motto auf der vorletzten Seite geblättert:
Im Traum ruf ich an bei dir
Doch keiner hebt ab
Was ist da nur los?
(Alfred Friedl, Rezension im Internen Newsletter der Universitätsbibliothek Wien Nr. 77, Mai 2021)
Josef Haidvogl: [Rezension]
Eines vorab: Man darf sich von der großen Seitenanzahl nicht abschrecken lassen, das Format des Buches beträgt nur ca. 19 mal 11 Zentimeter. Dennoch ist man für einige Zeit mit Lesestoff versorgt. Die im Untertitel „gefundene Geschichte“ löst sich in zahlreiche einzelne, oft für sich stehende Geschichten auf, die letztlich wieder in einem übergeordneten Zusammenhang stehen.
Zunächst zeichnet der Autor anhand der Biografie seiner Mutter und deren Eltern, fallweise zurückgreifend bis auf die Urgroßeltern, ein Bild vom Leben und den Lebensumständen, der Arbeit, von den Bräuchen, Redewendungen und dem Sprachgebrauch in der Zwischen- und Nachkriegszeit in seiner ursprünglichen Heimat um Scheibbs und Purgstall. In der weiteren Folge erzählt er von seiner Kindheit und es entwickelt sich zu einer Familiensaga. Nebenbei auch Streiflichter auf Personen und Ereignisse, welche im Umfeld die Familie begleiten, und zeitweilig verbreitert sich die Geschichte über die ganze Sippschaft.
Erst nachdem man gut die Hälfte des Buches gelesen hat, tritt der am Umschlagbild abgelichtete Protagonist in Erscheinung. Der Onkel des Erzählers ist eine durchaus beachtenswerte und schillernde Persönlichkeit, fiel er doch in seiner Profession als Priester ziemlich aus dem Rahmen. Beziehen sich alle bisherigen Buchbeschreibungen auf diesen Pfarrer von Dürnstein und Kolpingpräses von St. Pölten mit seiner Lebensgefährtin und stellen diese Beziehung als zentrales Thema des Buches dar, so umfasst dieses als „Mostvietler Liebesgeschichte“ betitelte, durchaus amüsante Kapitel gerade einmal 25 Seiten. Genug um bei manchem Leser Kopfschütteln hervorzurufen, andere werden in ihm einen Priester sehen, der trotz seines alkoholträchtigen Lebenswandels zeitweilig seiner Zeit voraus war (Ich erinnere mich auch, dass er als Kaplan in Amstetten sehr beliebt war). Danach setzt sich das Buch fort in Betrachtungen, Kurzgeschichten und Episoden, die das Leben des Verfassers beeinflussten. Dabei geht es in einer Vielfalt, wie sie das Leben eben bietet, um Schulzeit, Kinder- und Jugendbücher, archäologische Ausgrabungen, eine Israelreise oder den Grünen Einigungsprozess. Dem Leser werden damit oft auch tiefe Einblicke in das bäuerliche Leben und Handeln, aber auch das Studentenleben jener Zeit gewährt. Nicht nur das Wie, auch das Warum kommt hier zur Sprache.
Im Verlauf des Buches ist in der Paarbildung nur sehr wenig von Liebenden zu erkennen, eher beruhte die Eheanbahnung oder die Lebensgemeinschaft meist auf Zweckmäßigkeit. Erst gegen Ende trifft man auf Liebende nach gängiger Auffassung. Diese finden sich durch intellektuelle Übereinstimmung und der Erkenntnis, (Zitat:) „es ist schön, mit jemanden die Freude an etwas zu teilen.“
Der Erklärung des Autors zufolge hat er „Passagen aus fremder Hand, die sich eingeschlichen haben“, den Kapiteln vorangestellt, wobei der Zusammenhang bzw. Metapher zur folgenden Geschichte aber nicht immer erkennbar wird. Bemerkenswert ist die geschliffene Ausdrucksweise, die durch die Wortwahl ein besonderes Leseerlebnis beschert. Da sieht man auch über da und dort auftauchende Unstimmigkeiten hinweg (z.B. sind Tiefdruckgebiete auch im Mostviertel nicht rechtsdrehend). Meistens werden sie aber ohnehin nur einem echten Mostviertler älterer Generation auffallen.
(Josef Haidvogl, Rezension in: Das Waldviertel. Zeitschrift für Heimat- und Regionalkunde des Waldviertels und der Wachau, 70. Jahrgang, Heft 2/2021)
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Burg Raabs
Das Mädchen im Badeanzug
Die Regentropfenuhr
Großvaters Geschichten
Im Traum war sie nackt
Magie aus dem Mostviertel